„Für 700,- € bar auf die Hand, betreue ich dich gerne…“

Mir fällt fast der Telefonhörer aus der Hand. Ich spreche gerade mit einer Kollegin – eigentlich über Kursplanung. Aber da die Situation in Berlin gerade so angespannt ist, tauschen wir Hebammen uns natürlich bei jeder Gelegenheit auch über unsere freien Kapazitäten aus: „Ich bin bis Mai ausgebucht“, sagte ich gerade. „Ich auch“, erwiderte meine Kollegin. „Aber ab und zu quetsche ich doch noch eine dazwischen, weil mir das so leid tut, dass sie sonst gar keine Hebammenbetreuung bekommen. So auch grad wieder: Da hat eine Frau ausgerechnet an Weihnachten Termin. Sie war nach 30 Anrufen schon sehr verzweifelt. Aber dann ist sie an eine Kollegin geraten, die ihr sagte, sie würde sie für 700,-€ extra betreuen.“
Ich frage nochmal nach, weil ich es nicht fassen kann.

Eine unbequeme Wahrheit

Tatsächlich kommt es in letzter Zeit immer häufiger vor, dass uns von Frauenseite Geld angeboten wird, damit wir die Betreuung übernehmen. Das zeigt, wie groß die Verzweiflung bei den Familien ist. Es tut mir unendlich leid und ich frage mich schon eine Weile, ob es wohl Kolleginnen gibt, die solche Schmiergelder annehmen. Aber das jetzt auch schon Hebammen von sich aus solche Forderungen stellen, finde ich echt unglaublich.

Ich habe sehr mit mir gerungen, darüber zu schreiben, wirft es doch ein ziemlich schlechtes Licht auf meine Zunft. Aber ignorieren, wollte ich das auch nicht.

Wochenbettsprechstunde

Wir bemühen uns schon sehr, auch kurzfristig, noch Lösungen zu schaffen. Einige Kolleginnen richten bereits Wochenbettsprechstunden ein, die für betroffene Familien geöffnet sein werden.

Ich sehe das mit einem lachenden und einem großen weinenden Auge, denn natürlich sollen möglichst alle Frauen versorgt werden, aber eine ambulante Sprechstunde ist eben kein Hausbesuch. Und gerade die Entlastung von Familien, in der ohnehin schon anstrengenden Wochenbettzeit, war für mich immer der besondere Bonus der aufsuchenden Wochenbettpflege. Es hat Jahrzehnte gedauert, das zu etablieren. Nun wird es mit einem Federstreich wieder zunichte gemacht.

In der letzten Sitzung des Berliner Hebammenverbandes wurde daher auch eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich darum kümmern wird, neue Richtlinien für die Wochenbettbetreuung aufzustellen. Damit zumindest die ersten Termine auch weiterhin in Form von Hausbesuchen erfolgen.

Moral versus Marktwirtschaft

Wie das Ganze aber am Ende umgesetzt werden wird, muss sich erst noch zeigen. In jedem Fall darf es keine akzeptierte Lösung sein, sich in dieser Situation an der Not der Frauen zu bereichern. Das ist in meinen Augen mehr als unwürdig.

Oder sind das einfach die ganz normalen Mechanismen der Marktwirtschaft?

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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23 Kommentare
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    Friederike sagte:

    Liebe Jana
    Danke für Deinen Beitrag. Ich sehe es jedoch anders. Ich bin Hebamme in Vor-und Nachsorge, wohne auf dem Land, fahre 40 km in die Stadt zum Arbeiten. Das sind 1,5 Stunden jeden Tag im Auto. Auf dem Land wohnen gar nicht so viele Frauen, dass ich genügend Damen zusammen kriege, damit ich jeden Monat 5 Wochenbettbetreuungen habe, oder ich hätte einen Radius von 80 km und mehr. Ich bin Still-und Laktationsberaterin, ich biete geburtsvorbereitende Akupunktur an. Ich nehme von den Frauen 200€ “Qualitätspauschale”. Dafür betreue ich sie von der Vorsorge bis zum Beginn der Beikost ganz regelmäßig. Die Frauen haben meine Handynummer, sie können und dürfen mich jederzeit anrufen oder mir schreiben. Ja, auch nachts und am Wochenende. Ich fahre Samstag und Sonntag für einen lächerlichen Aufpreis in die Stadt um dort Wochenbettbetreuung zu machen. Ich mache extra Stillberatungen, die ich nicht über die Gebührenordnung abrechne. Ich mache teure Fortbildungen, investiere in QM, abonniere Zeitschriften, damit ich auf dem neuesten Stand bin. 200€ ist ein Schmerzensgeld. Es ist eine Igel-Leistung, es ist das Geld, was ich brauche, damit ich überhaupt weiter arbeiten kann. Macht doch alle endlich mal die Augen auf. Wenn wir uns nicht selber helfen, macht es keiner. Der Witz ist dabei auch noch, dass viele Krankenkassen unter Vorlage des Vertrages die Pauschale erstatten.

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      Daniel sagte:

      Liebe Friederike,

      auch wenn ich ein Kerl bin und nicht als Entbindungspfleger arbeite, erdreitste ich mich Mal was dazu zu schreiben, auch weil ich es für meine persönliche politische Agenda wichtig finde allen werdenden Eltern eine vernünftige, ausfinanzierte Hebammenbetreuung über die GKV zu sichern. Gute (Vor-)Geburts (-nach-)betreuung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

      Ich habe Jana so verstanden, dass die betreffende Hebamme, zusätzlich zur Zahlung die die Krankenkasse leistet, eine Zahlung von 700€ gefordert hat um die REGELLEISTUNG auszuführen.

      Du bietest für deine “Qualitätspauschale” (IGe-)Leistungen an die über die Regelleistung hinaus gehen. Das wird niemand verteufeln. Es geht lediglich um den Punkt, dass teilweisw Eltern (gerade aus finanziell schwächeren Verhältnissen) nicht in der Lage sind solche Anforderungen zu erfüllen.

      Nebenbei müsste man es Mal Prüfen ob eine solche Forderung wie sie Jana beschreibt nicht sogar strafrechtlich relevant ist. § 299a StGB könnte hier ggf. einschlägig sein… (Und entsprechend § 299b StGB für die Eltern zusätzlich…)

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    Claudia sagte:

    Liebe Jana, aus der Not heraus noch Geld zu machen finde ich schrecklich, allerdings sollten sich die Hebammen auch an die Bedürfnisse der Frauen orientieren. Denn die Mehrzahl der Frauen wünscht gar keine 12 Wochen Hausbesuche. Ich habe lange mit mir gerungen aber aufgrund der Tatsache das ich viel Zeit im Auto verbringe und somit weniger Frauen betreuen kann, habe ich mich entschlossen das Wochenbett aufzuteilen. Die ersten 4-5 Wochen mache ich Hausbesuche. Danach kommen die Frauen in meine Praxis und welch eine Überraschung, es finden alle toll. Sie möchten nach dieser Zeit wieder raus gehen und nicht nur zu Hause sitzen. Der Termin in meiner Praxis ist für die Mütter eine Gelegenheit rauszukommen und da ich flexibel bin, können die Papas auch nach der Arbeit weiterhin an den Terminen teilhaben. Ich bin froh dass diese Umstellung nun gekommen ist.

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    Myriam sagte:

    Also in der Situation, wie du sie beschrieben hast und für 700€ grenzt das für mich tatsächlich an Bestechung, aber wenn die Sätze einheitlich geregelt sind und man vielleicht sogar eine ausgeweitete Betreuung erhält, wie im Kommentar von Friederike beschrieben, kann ich mir schon vorstellen, 100-200€ für die Wochenbettbetreuung zuzuzahlen. Oder auch eine zusätzliche Wegpauschale, wenn man außerhalb des üblichen Wirkungskreises einer Hebamme wohnt. Es gibt Frauen, die zahlen so viel für doch oft unnötige zusätzliche Untersuchungen während der Schwangerschaft, da kann einem eine gute Wochenbettbetreuung auch etwas wert sein. Ich habe auch für meine Geburten je 600€ Rufbereitschaftspauschale gezahlt, je 350€ die nicht erstattet wurden. Das war es mir halt wert.
    Nachteil ist da natürlich, wenn so sozial schwächere Familien keine Chance mehr auf gute Betreuung haben…
    Tut mir Leid, falls ich da jetzt etwas verwechsele, aber hast du nicht selbst vor einer Weile gebührenpflichtige Telefonberatungsgespräche angeboten? Ist das so anders?

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      Jana Friedrich sagte:

      Liebe Myriam, das Beratungsangebot habe ich abgeschaltet. Ehrlich gestanden war es nicht als Verdiensmöglichkeit, sondern als “Gummimauer” gedacht. Denn mich erreichten täglich so viele Fragen über die sozialen Medien. Damit hätte ich schon allein einen halben Arbeitstag füllen können. Ich konnte das nicht mehr leisten (und ganz ehrlich: umsonst arbeiten, möchte ich auch nicht). Aber ich sehe ein, dass das wie Doppelmoral klingt. Daher die Konsequenz.
      LG
      Jana

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    frauschroeder sagte:

    Liebe Jana,
    ich schreibe jetzt mal aus Müttersicht. Ich habe im Januar unsere Tochter zur Welt gebracht und wußte, ganz ehrlich, eigentlich nicht wofür ich eine Hebamme brauchen würde. Es war immer klar, dass die Entbindung im Krankenhaus stattfinden würde und wofür ich dann eine Hebamme im Wochenbett brauchen würde war mir nicht klar. Ganz im Gegenteil war mir die Vorstellung, dass da jemand fremdes in unser Haus kommt eher unangenehm. Ich habe mich dann nach Empfehlungen umgehört und damit auch gleich den Geburtsvorbereitungskurs und später auch die Rückbildung gemacht, was besonders schön ist, da man die anderen Mütter bereits kennt und wir eine gute Gruppe sind. Vor dem ersten Hausbesuch war ich wirklich aufgeregt und es hat mich eher gestresst als dass es beruhigend gewesen wäre. Leider gab es dann einige Schwierigkeiten beim Stillen und daraus resultierend auch mit dem Bäuchlein unseres Fräuleins. Da war ich schon sehr froh jemanden zu haben, den ich anrufen kann und der unserer Kleinen hilft. Später hätte ich die Besuche dann wirklich nicht mehr gebraucht.
    Wir wohnen allerdings auf dem Land und da ist die Situation längst nicht so schlimm wie in der Großstadt, wobei ich bei meiner Anfrage in der 14. Woche auch schon den letzten Platz bekommen habe. Würde man mir allerdings sagen “für 700,- € betreue ich dich”, würde ich sagen, “dann brauche ich das nicht”.
    Ich will damit nicht sagen, dass die Betreuung unwichtig ist, gerade in den ersten drei Wochen hat sie schon viel geholfen, und ich denke auch, wenn wir nach drei Tagen (und nicht nach einer Woche) zuhause gewesen wären, wäre ich wohl noch stärker auf Hilfe angewiesen gewesen, aber ich wäre nicht bereit eine Extrapauschale dafür zu zahlen und es auch im Vorfeld nicht gewesen, da mir gar nicht klar war, wofür ich die Hebamme brauchen würde.

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      Claudia sagte:

      Ich habe beim ersten Kind im Geburtshaus beim Zweiten zu Hause entbunden.
      Bei beiden Schwangerschaften und Wochenbetten und natürlich bei den Geburten hat mir die Betreuung alles bedeutet. Auch für meinen Mann war es ungeheuer wertvoll. Ich werde meinen Hebammen für immer dankbar sein.
      Gerade beim ersten Kind habeich sie so gebraucht, aber auch beim Zweiten Mal hat mir die enge Betreuung so viel gegeben.
      Jede Frau sollte die Möglichkeit einer bestmöglichen Unterstützung haben und diese sollte nicht von der eigenen Finanzsituation abhängen.
      Ich finde die aktuelle Entwicklung schrecklich und bin schon besorgt wie es meinen eigenen Kindern und ihren Familien eines Tages ergehen wird. Denn Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett ohne Hebammen – für mich unvorstellbar

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    Exe sagte:

    Naja, wenn ich als Kassenpatient Zusatzleistungen von meinem Arzt haben will muss ich das auch aus eigener Tasche bezahlen. Die Terminbücher sind ja schon voll, diese Frauen werden für das Entgelt da zwischen gequetscht oder hinten angehangen. Dann ist man wieder erst um 22 Uhr Zuhause. Es ist ja die eigene Freizeit welche man verkauft und dafür kann man dann auch selbst den Preis bestimmen, meiner Meinung nach. Wenn man immer 14 Stunden arbeitet nur weil das ganze System faul ist und einem die Frauen leid tun wird sich nichts ändern, außer der eigene Gesundheitszustand.

    Jeder Handwerker kann bei höheren eigenen Kosten die Preise selbst bestimmen. Nur dem so wichtigen Gesundheitssektor werden die Preise diktiert.
    Jeder Selbstständige kann mit guter Leistung darauf hinarbeiten nur noch 6-7h am Tag arbeiten zu müssen. Hebammen arbeiten deutlich mehr inkl. Samstags und Sonntags. Diesen Selbstständigen sagt man einfach “Tja Pech gehabt, ist halt der Gesundheitssektor”.

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      Daniel sagte:

      Sorry der Vergleich hinkt. Die ich habe Jana so verstanden, dass die Hebamme zusätzlich zur REGELLEISTUNG, welche von der Krankenkasse gezahlt wird, 700€ haben wollte, bzw. als Aufnahmeentgelt.
      Stell dir also vor, du kommst ins Krankenhaus und hast dir den Arm gebrochen. Dann sagt der Arzt: “Klar können wir das machen, wenn sie erstmal 500€ (zusätzlich zu dem was wir Ihrer Kasse anschließend berechnen können)) aufn Tisch legen.”

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    Tabea sagte:

    Ich sehe das tatsächlich anders und würde mich freuen, wenn mehr darüber gesprochen wird.

    Frauenarbeit zu unsäglich niedrigen Sätzen egal in welche sozialen Berufe man schaut? Unter Zeitdruck zu arbeiten, von einer Mama zur anderen zu hetzen (oder Kind, oder Mensch…)?

    Geld ist ein Riesenthema für uns Frauen. Wir investieren immer mehr in Ausbildung, Versicherung, Zukunftsvorsorge uvm. aber wir trauen uns nicht, unsere Kosten auch geltend zu machen… gegenüber Arbeitgebern oder Kunden.

    DAS ist für mich das eigentlich Fatale.

    Denn mit “ordentlichen” Preisen (Buchhalterisch wird von 40-45 EUR ph. Mindestlohn in der Selbstständigkeit als Äquivalent zu 8,50 EUR in der Anstellung gesprochen) ist es auch wieder möglich, einen bewussten Teil der eigenen Zeit für Angebote zu investieren, die gegen Aufwandspauschale oder ehrenamtlich verfügbar sind.

    Finde in jedem Fall toll, dass du dem Thema einen Raum gibst! Und wir müssen darüber sprechen, bei prognostizierten 10000 EUR Haftpflichtprämie realistisch prognostiziert in wenigen Jahren für die in der Geburtshilfe tätigen Hebammen.

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    Simone sagte:

    Hm. Ich stimme Tabea zu, die grundsätzliche Bezahlung ist zu niedrig. Das sollte dringendst geändert werden.
    Für Zusatzleistungen zu zahlen, ist aus meiner Sicht völlig angebracht. Wie halt beim Arzt auch. Hier klingt es aber so, als sollten die Frauen zahlen, um überhaupt betreut zu werden. Und das kann und darf nicht sein.
    In der Vorsorge habe ich keine Hebamme gebraucht und die Nachsorge war bei beiden Kinder auch nach 6 Wochen vorbei, weil kein Bedarf mehr da war. Für die Stillprobleme musste ich mir sowieso selbst Expertinnen suchen. Bei einer pauschalen Zuzahlung hätte ich es mir folglich auch schwer überlegt.

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    Steffi sagte:

    Liebe Jana, schon seit einiger Zeit lese ich hier deinen Blog und freue mich über jeden deiner Beiträge. Durch dich bin ich erst richtig auf die Problematik in der Geburtshilfe aufmerksam geworden und beschäftige mich immer intensiver damit.

    Als ich vor einigen Wochen gesehen habe, dass du Beratung gegen Entgelt anbietest fand ich das eigentlich eine gute Sache. Ich habe schon oft daran gedacht, warum Hebammen denn nicht auf eigene Rechnung arbeiten. Hier auf dem Land gibt es keine einzige Hebamme mehr, die Hausgeburten anbietet. Das nächste Geburtshaus ist auch ca. 60km weg.
    Ich für mich persönlich würde mir wünschen Hebammen würden Ihren Aufwand ihren Kundinnen in Rechnung stellen, so wie es in anderen Berufen auch ist (auch in medizinischen).

    Lieber muss ich für eine Leistung selbst bezahlen, als dass ich sie gar nicht mehr angeboten bekomme.

    Es klingt hart, aber auf die Politik ist da kein Verlass. Ich glaube nicht daran, dass die Politik die Situation der Hebammen und damit auch aller werdenden Mütter verbessert, deshalb hoffe ich sehr, dass sich die Hebammen selbst helfen damit sie wieder gut von Ihrer Arbeit leben können und Ihr Beruf attraktiv bleibt.

    Liebe Grüsse, Steffi

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    non-binary sagte:

    Danke für den mutigen Beitrag, Jana!

    Aus Interesse: Kann man die Regelleistungen einer Hebamme eigentlich klar von Zusatzleistungen trennen?
    Wenn es tatsächliche Zusatzleistungen gibt (Massage, Akupunktur, was weiß ich), habe ich kein Problem damit, sie den Frauen anzubieten. Mein Zahnarzt fragt mich auch bei der jährlichen Vorsorge, ob ich 60 Euro eine professionelle Zahnreinigung ausgeben will. Habe ich bisher nie in Anspruch genommen. Unser Arzt-Patienten-Verhältnis stört das nicht im Geringsten.

    Punkt ist: An den Regelleistungen darf nicht gerüttelt werden und das scheint seit vielen Jahren in der Geburtshilfenbranche der Fall zu sein!
    Der Vergleich zu Handwerkern hinkt, Exe. Jedenfalls konnte ich bisher noch keine Klempnerrechnung bei meiner Krankenkasse einreichen.

    Ich finde, Jana hat es mit ihrem Beispiel auf den Punkt gebracht:
    Wenn ich mir vorstelle, keine Hebamme weit und breit zu finden und mir nach 30 Anrufen eine “Abschlagszahlung” von 700 Euro angeboten wird, wäre ich schockiert. Zumal ich es mir nicht mal leisten könnte. Und dann? Wenn ich Glück habe, quetscht mich eine gutmütige Hebammen aus Mitleid in ihren eh schon viel zu vollen Terminkalender und die Geschichte nimmt ihren Lauf…

    Es muss sich politisch hier endlich was tun. Es ist der falsche Ort und es wird zu nichts führen, diese strukturellen Probleme zwischen Frau/Familie und Hebamme auszuhandeln.

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      Jana Friedrich sagte:

      Ja, das ist klar trennbar: Wir dürfen kein Extrageld oder einfach einen anderen Betrag für Leistungen nehmen, die in unserer Gebührenordnung aufgeführt sind. Alles Andere bedarf im Prinzip eines Privatleistungsvertrages.
      Bei manchen Leistungen kann man entscheiden. ZB Akupunktur kann als “Hilfe bei Beschwerden” abgerechnet werden, oder als Zusatzleistung. Da sie nicht explizit in der Gebürenordnung vorkommt.

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        Anna sagte:

        Hey Jana, ich befasse mich zur Zeit sehr intensiv mit dem Hebammen Thema. Meine Frage deshalb ist: Inwiefern dürfen Hebammen Geld von den Frauen annehmen und ist dies irgendwie rechtswidrig? Ich befasse mich mit einer Idee, die es Frauen einfacher machen soll eine Hebamme zu finden und die Hebamme soll dafür etwas bekommen. Quasi eine Pauschale. Hättest du Lust dich darüber auszutauschen?
        Finde es etwas engstirnig zu sagen, man will den Frauen das Geld nicht “aus der Tasche” ziehen. Das Kind wird das ganze Leben etwas kosten, warum dann nicht eine Art Spende der Hebamme zukommen lassen. Natürlich nicht 700€, das ist schon frech. Würde mich freuen von dir zu hören 🙂

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          Jana Friedrich sagte:

          Hallo Anna, die Leistungen die wir erbringen sind beziffert. Die Krankenkassen zahlen einen bestimmten Betrag pro Ziffer.
          Das gilt auch für Privatpatientinnen (da ist der Satz nur höher, aber auch fest gelegt).
          Eine Leistung mehrfach abzurechnen ist verboten. Und sich für eine Leistung einen Phantasiebetrag auszudenken, so viel ich weiß auch. Das Einzige was theoretisch möglich wäre, ist privat eine neue Leistung zu kreieren. So war das ja damals auch mit der “Rufbereitschaftspauschale”. Eigentlich war das rufbereit sein ja in der Betreuungspauschale integriert. Nur das war eben extrem wenig. So ließen sich die Hausgeburts- und Beleghebammen diese extrapauschale privat bezahlen.
          Inzwischen ist das anerkannt und wird ja teilweise sogar von den Kassen bezahlt.
          Soweit meine two Cents. Aber ansonsten müsstest du da mal mit einem Juristen drüber sprechen.
          Ich persönlich bin ja nicht so für so viel Eigenleistung. Weil das vielen Frauen einfach nicht möglich ist. Und das sind oft die, die eine gute Betreuung so bräuchten.
          LG
          Jana

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            Andi sagte:

            Guten Tag,

            Ich habe meine Hebammen im Lauf der letzten Jahre von *90-*19 mehrfach privat bezahlt.
            Es ist okay, wenn man zusätzliche Beratung möchte einer Selbständigen zusätzlich Geld auf Rechnung zu geben.
            Ich habe mehrfach – bedingt durch meine exclusiven Arbeitszeiten 365 d/24 h – zu den absurdenstens Arbeitszeiten Hebammenhilfe in Anspruch genommen.
            UND ICH BIN GOTTFROH , dass es euch gibt.
            Ich finde es echt krank – wenn ich meinen und euren Stundenlohn vergleiche.
            Als Medizintechnikerin bin ich ebenfalls eine hochspezialisierte Medizinische Dienstleisterin- aber wenn ich eure Löhne mit den Meinen vergleiche- brutal…gemein…und unangemessen.
            Zum Spass habe ich mal die Stunden meiner Hebamme in den Metallertarif als Medizintechniker umgerechnet mit Hilfe meines Abrechnungsprogramms.
            Meine Hebamme hätte bei mir zwischen 86 000 Euro und 115000 Euro Umsatz bei ihrer Arbeitszeit-Arbeitsleistung- Weiterbildung und Erfahrung gemacht… tatsächlich hat sie 38 000 Euro !!! Umsatz im Jahr gemacht…was für ein Vergleich im Verhältnis zur Verantwortung und Einsatz.
            Und das ist nur der “Um”satz !!! Nicht! der Verdienst – nochmal betont für die vielen “Lohnsklaven”
            Nöhh ….recht hat die Dame die sich wehrt, indem sie marktgerechte Preise verlangt.
            Ihr solltet ungelogen das Doppelt pro Stunde verdienen.
            Ich wäre dafür.
            Ich käme mir schlecht vor – wenn ich einer anderen Selbständigen keine Marktüblichen Preise sondern nur die Hälfte bzw ein Drittel !!! von meiner Bezahlung anbiete.
            Danke übrigens für deinen Blog.
            Ich habe alles meinem *panischen* Schwiegersohn ans Herz gelegt & für ihn gekauft.
            Lach :0) die “wir-haben-in-Stalingrad-den-Kessel-überlebt”-Geburten mit Der “Kettensägen-massaker” fraktion nimmt wirklich im Internet unglaublich zu.
            Da ist das immer wieder erfrischend normal hier.
            LG
            Andi aus Stuttgart

  10. Avatar
    Anja sagte:

    Ich finde es nicht verwerflich, eine Qualitätspauschale zu vereinbaren und dafür ordentliche Leistungen zu bringen. Da hat Frau die Wahl. Schlimm finde ich die Hebammen, die entgegen der Absprachen 10 Minuten-Wochenbettbetreuungen abhalten, da steht frau alleine da, ist abhängig und hat auch nichts davon.

    Osteopathen, teure Kinderwägen usw. werden ja auch gezahlt. Wenn ich eine Arbeit erbringe, die meinem Verständnis von qualitativer Hebammenbetreuung entspricht, und es dafür eine Nachfrage gibt, ist das aus meiner Sicht nicht unmoralisch, sondern eine Investition in den Anfang der Familienbeziehung.

    Lieben Gruß,

    Anja

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  11. Avatar
    Gisela sagte:

    Hi, ich habe mit Interesse den Beitrag und die Kommentare gelesen und finde es völlig okay, wenn die besagte Hebamme nur für 700 € extra arbeitet. Sie nimmt die Bedingungen, die der Markt diktiert und setzt ihre Rahmenbedingungen dazu. Ich habe als werdende Mutter die freie Entscheidung, ob ich das jetzt annehme oder nicht. Klar kann ich sagen, dann suche ich eine Andere. Die besagte Hebamme hätte wahrscheinlich sonst eh abgesagt, also wäre sie für mich doch auch keine Hilfe gewesen. Wenn ich jetzt aber das Geld habe und weiß, dass ich zu spät angefangen habe, nach einer Hebamme zu suchen oder wenn ich genau die Hebamme will, weil sei mir empfohlen worden ist, dann kann ich doch selbst entscheiden, ob mir das das extra Geld wert ist oder nicht. Ich kann ja oder nein sagen. Das ist doch bei vielen anderen Dienstleistungsentscheidungen auch so. Was hilft es mir, wenn alle Hebammen am Ende sagen, sie sind überlastet und ich habe gar keine? Die soziale Ungerechtigkeit ist da, aber das ist sie doch hinten und vorn. Warum kommen Hebammen auf den Gedanken, dass dieses systemische Problem ausgerechnet auf ihren Schulter ausgetragen und ausgeglichen werden muss? Viele Grüße Gisela

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  12. Avatar
    Sonja sagte:

    Ich würde sofort und mit dem allergrößten vergnügen 700 euro bar bezahlen wenn mich hebammen vollständig und komplett in ruhe lassen! Kein globuli, bachblüten, in ‚afrika tanzen sie die kinder raus‘, mei sind sie eine tolle frau, jetzt atmen wir ganz tolle positive energie zum kind und sonstigen vollscheiss! Und es wird nicht gestillt!!! Nie! Nichtmal die gute vormilch! Ich verklage jede die mir zwangsweise das kind zum stillen anlegt wenn ich mich nicht wehren kann, ebenso bei zwangsgabe von Globuli oder Bachblüten! Das ist rechtlich gesehen das privatanklagedelikt der eigenmächtigen heilbehandlung!

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  13. Avatar
    Sarah sagte:

    Hi Jana,

    ich finde das echt ein spannendes Thema – und man sieht an den verschiedenen Kommentaren ja auch, dass die Meinungen deutlich auseinander gehen bzgl. private Bezahlung.

    Auf deinen Artikel bin ich gestoßen, weil ich mit meinem Mann diskutiert habe, warum es eigentlich keine “Privathebammen” gibt. Bei Ärzten gibt es ja schließlich auch Praxen, die nur Privatpatienten nehmen und dafür bis zu 7-fachem GOÄ-Satz abrechnen. Normalerweise führt in einer Marktwirtschaft ein Angebotsmangel bei Nachfrageüberhang ja schließlich zu steigenden Preisen. Aber Hebammen werden trotz eklatantem Mangel immer noch völlig unterbezahlt und müssen vom knappen Gehalt auch noch horrende Versicherungen zahlen wenn sie freiberuflich arbeiten.

    Ich persönlich würde garantiert bereit sein, meine Hebamme privat zusätzlich zu vergüten (und finde 700€ ehrlich gesagt gar nicht so viel, wenn man die gesamt Leistung betrachtet!). Ich war als Kind immer privat versichert, im Studium dann gesetzlich und danach direkt wieder privat. Die Versorgungsunterschiede waren eklatant – insbesondere Wartezeiten. Natürlich würde eine private Zusatzleistung bei Hebammen das sowieso schon existiertes Zwei-Klassen-System in der Medizin verstärken. Andererseits erschließt sich für mich nicht, warum das gleiche Prinzip bei Ärzten okay und bei Hebammen nicht okay sein sollte!

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